![]() |
Herbert James Draper-The Gates of Dawn |
Schon auf den Bergen ruht die Nacht,
Die Bäume rauschen leis zusammen,
Weiß fällt herab die Blütenpracht.
In süße Träume hingesunken
Hängt schwer herab der Blumen Haupt,
Die Nachtigall wie wonnetrunken
Singt in den Büschen dichtbelaubt.
Und Tag und Nacht zusammenfließen,
Wer schöner sei, ich weiß es nicht, —
Gleich Liebenden, die stumm sich grüßen,
Tief schauend sich in's Angesicht.
Ich aber steh', in sel'ges Schauen
Verloren ganz, noch immer da,
Vom Auge nur die Thränen tauen,
Weiß selber nicht, wie mir geschah.
Die Hände schlingen fest zusammen
Sich mir zum innigen Gebet,
Wie dort die letzten gold'nen Flammen
Mein Herz in Andacht untergeht.
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen, Herausgegeben von Karl Schrattenthal, Verlag Greiner & Pfeiffer, Stuttgart, 1888, S. 215.