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Caesar van Everdingen - Bachus en Ariadne |
In dem Haine Aphroditens
Lag der kleine Sohn der Göttin,
Amor, einst in tiefem Schlafe
(Denn auch Amor schläft zuweilen!)
Hingestreckt im jungen Grase.
Bunte Wiesenblümchen schmiegten
Sich an seine zarten Glieder,
Leichte Zefiretten kosten
Mit den kleinen goldnen Locken,
Die geringelt und ambrosisch
Um das zarte Antlitz wallten,
Und vor Phöbus Feuerstrahlen
Schützte ihn der Rosenbüsche
Einer, der im heil’gen Haine
Blühend, süße Düfte hauchte.
Von den Nymphen Hand gepfleget,
Blühten weiß die zarten Rosen,
Und noch keine böse Stacheln,
Die verletzen zarte Hände,
Waren ihnen beigesellet.
Doch da kam die Schaar der Nymphen,
Blumen in dem Hain zu pflücken,
Um den Altar Aphrodite’s
Schön zu schmücken und zu kränzen,
Und so nahten sie dem Strauche,
Wo der kleine, lose Knabe
Lag in tiefem, festem Schlafe.
»Schwestern!« rief die eine Nymphe,
»Schwestern! hütet euch und pflücket
Ja nicht dort von jenen Rosen,
Denn es liegt der Knabe Amor
Schlafend dort in ihrem Schatten;
Leichtlich könntet ihr ihn wecken!
Und nicht ist ja sein Erwachen
Heilsam immer, wie mich dünket!«
Doch die Jüngste sagte leise:
»Wahrlich, Schwesterchen, ich möchte
Mich für manche lose Streiche
An dem bösen Knaben rächen!
Sieh, es liegt dort Pfeil und Bogen
Neben ihm im grünen Grase;
Sagt, wie wär’ es, wenn die Pfeile
Wir dem Schalke schnell zerbrächen?«
Eines Sinns ward bald der Nymphen
Blüh’nde Schaar, die jüngste raubte
Leise seinen goldnen Köcher,
Und die zarten, weißen Händchen
Waren eifrig nun beschäftigt,
Von den wohlgeschärften Pfeilen
Schnell die Spitzen abzubrechen;
Dann sie alle schnell enteilten
Leisen Tritts, voll Schadenfreude.
Als nun Amor drauf erwachte,
Und des Frevels inne worden
An den Pfeilen, an den Spitzen,
Die zerstreut im Grase glänzten:
Rief er halb von Zorn entrüstet:
»Ha! gewiß wart ihr es, Nymphen,
Die mich Schlummernden beschlichen! –
Doch, fürwahr, ihr sollt der Strafe
Eures Muthwills nicht entgehen!«
Schnell nun sammelt’ er die Spitzen,
Raffte sie behend vom Grase,
Und, zum Rosenstrauch gewendet,
Rief er: »Werde du mein Rächer!«
Fügt’ dann an der Rosen Stiele
Heimlich seiner Pfeile Spitzen.
Bald nun kam die Schaar der Nymphen
Froh zurücke, lustig schäkernd;
Neugier trieb sie und Verlangen,
Ihrer That Erfolg zu schauen. –
Als sie fanden leer die Stelle,
Wo der kleine Gott geschlafen,
Eilten hin sie zu den Rosen,
Nicht die Rache Amors ahnend.
Aber weh! die zarten Finger
Ritzten wund sich an den Stacheln,
Daß das Blut hernieder rieselnd
Färbte roth die weißen Rosen.
Und als drauf in ihrem Kranze
Voll Verwundrung Aphrodite
Sah der Rosen rothen Schimmer,
Sah die Dornen noch und Wunden
An der Nymphen zarten Händchen,
Forschte sie, wie das geschehen! –
Ihr erzählten nun die Nymphen,
Bitter über Amor klagend,
Wie mit steten Neckereien
Unaufhörlich er sie plage,
Und wie nun sie zur Vergeltung
Einen Scherz mit ihm gewaget,
Den so tückisch er erwiedert. –
Doch es hörte Aphrodite
Ruhig von des Söhnchens Tücke,
Und erwiedert’ ernst, doch gütig:
»Oft ja warnt’ ich schon euch, Kinder!
Wer will mit der Liebe scherzen,
Erntet bittre Pein und Schmerzen!«
Aus: Rosa Maria’s poetischer Nachlaß, Herausgegeben von D. A. Assing, Verlag von Joh. Friedr. Hammerich, Altona, 1844, S. 6 ff.