![]() |
John William Waterhouse - Gather ye rosebuds while ye may |
Geschlossner Rosenknospe gleich im Hag
Sei unsre Lieb’, erröthend, sich zu zeigen,
Verschleiernd Duft und Glanz bis zu dem Tag,
Wo Seel’ und Seel’ der Staubesfüll’ entsteigen.
Laß keinen Hauch der Leidenschaft die Hut
Der scheuen Blätter zu Entfaltung schrecken;
Laß nicht des Sonnenstrahls zu heiße Gluth
Die thauige Frische ihres Kelchs beflecken!
Verschlossen wahr sie wie ein Heiligthum —
Mit Thränen magst du sie, mit Lächeln nähren;
Doch hüte stets den lichten Schleier drum,
Laß kein Berühren ihre Pracht entehren!
Sei du begnügt, zu wissen, nicht zu sehn
Die Gluth, den reichen Schatz in ihrer Seele,
Zu fühlen ihres Blumengeistes Wehn —
Und halt ihr Lächeln rein von Sünd’ und Fehle!
O, wahr sie heilig! Zwingst du sie zum Blühn: —
Gen Himmel wird sie ihren Duft entschicken,
Wie einst mit Trauer floh und Zornesglühn
Der aufgeschreckte Gott vor Psyche’s Blicken.
aus: Lieder- und Balladenbuch amerikanischer und englischer Dichter der Gegenwart, Herausgegeben und übertragen von Adolf Strothmann, Hoffmann und Campe, Hamburg, 1862, S. 142.