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Freitag, 25. Februar 2011

Louise Koch-Schicht - Gärtchen am Fenstersims

Harald Reiter (copyrighted) -  http://www.art-reiter.de/ 

Gärtchen am Fenstersims

Großstadthäuser in Reih und Glied
nüchtern, ohne Unterschied,
gleiten vorüber,
Fensteraugen eng und schmal
immer gleiche, hundertmal
querüber.

Trostlos solche Häuserzeilen
gleich und gleich vorübereilen —
Menschenkäfige! muß ich denken
ah! und die Erde hat allen zu schenken!

Da — auf einem Fenstersims
lachend meines tiefen Grimms
blüht ein Gittergärtlein zierlich
rankt manierlich
sich hinauf und noch hinüber.

Vorüber . . .
Doch das Grün und farbig Blühen
schien am Grau ein Wunden glühen,
schien ein schmerzgehegter Rest
an die Mauerwand gepreßt —

Menschensehnsucht
traumerwacht,
die an verlorne Gärten gedacht . . .


aus: Louise Koch-Schicht, Der treue Buhle, Neue Gedichte, Hans Sachs-Verlag, München und Leipzig, 1913

Donnerstag, 10. Februar 2011

Unbekannter chinesischer Dichter - Lieder der Mitternacht

Unbekannter Künstler der Sung-Dynastie



1
Der Weihrauch sendet Düfte aus,
Und bin ich auch nicht reich und schön:
Der Himmel ist uns Menschen hold,
Er schenk’ uns bald ein Wiedersehn.


2
Versponnen bleiben auch zerrissene Fäden,
Und ewig bleibt die Liebe uns im Blut.
Wohl sterben jährlich alle Seidenspinner,
Doch ist ihr Grab die Wiege ihrer Brut.


3
Ich bette mich in weiche Kissen ein,
Mein Liebster kommt und kost mit mir.
Doch allzu ungestüm darf er nicht sein,
Nur rein bewahrt weilt Liebe lange hier.


4
Der Hunger ruft Speisen,
Die Liebe ruft Lieder.
Ich lehn’ an dem Tore —
’s ist Abend! Komm wieder!


5
Ich tret’, noch eh mein Morgenkleid geschlossen,
Mit Falten auf der Stirn hinaus geschwind.
Ein Windstoß flattert in die leichte Seide
Und lüftet sie. Der böse Frühlingswind!


6
Wie freu ich mich des Wiedersehens! —
Doch was siehst du so streng darein?
Dreimal ruf ich und keine Antwort —
Warum willst plötzlich du so weise sein?


7
Ich habe dich lieb, möchte zu dir gehn,
Möcht wohnen ganz nahe bei dir.
Vor meiner Tür müßt ein Holderbusch stehn,
Dann könnt ich dich Holder immerfort sehn.


8
Die Lieb’ im Herzen treibt mich dir entgegen,
Jedoch die Schüchternheit hält mich und will's nicht leiden.
Die roten Lippen öffnen sich zum Liede,
Und mit der weißen Hand rühr ich die zarten Saiten.


aus: Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten, Richard Wilhelm, Eugen Dietrichs, Jena, 1922, S. 17 f.




Mittwoch, 9. Februar 2011

Su Dung Po - Zweite Fahrt zur Roten Wand


Su Hanchen (Song Dynasty)



Zur Vollmondszeit im Wintermond
Macht’ ich mich aus der Heimat auf,
Um abermals zur Roten Wand zu reisen.
Zwei Freunde gingen mit
Der Weg ging an der gelben Furt vorbei.
Schon fiel der Reiftau, und die Bäume
Sie standen alle kahl von Blättern.
Vom Schatten auf der Erde wandten
Den Blick empor wir auf zum lichten Mond
Und freuten uns an seinem Anblick.
Ein frohes Lied erklang zum Wanderschritt.
Da sprach ich seufzend:
»Zu fröhlichem Beisammensein bedarf’s des Weins,
Und zum Genuß des Weins bedarf’s des Mahls,
Sonst lädt umsonst die schöne Nacht,
Der weiße Glanz des Mondes und der kühle Wind.«


Da sprach der eine Freund
— Wir waren grad in seiner Heimat Nähe —
»Heut’ abend in der Dämmerung
Hob ich mein Netz und hatte einen Fisch
Mit großem Maul und feinen Schuppen,
Fast wie ein Karpfen aus dem Kiefernfluß,
Allein der Wein, der fehlt uns noch.«
Dann ging er in sein Haus und sprach mit seiner Frau.
Die sagte: »Lange schon steht mir ein Krug
Mit altem Wein sorgfältig aufbewahrt,
Damit er dir zuhanden sei,
Wenn du ihn unversehens brauchst.«


So gab’s zum Mahl denn Wein und Fisch.
Dann wanderten wir fort zur Roten Wand.
Des Stromes Wellen rauschten fern,
Vom Ufer hatt’ er sich zurückgezogen.
Die Berge ragten hoch. Der Mond war klein.
Das Wasser war gesunken, und die Steine vorgetreten. —


Wie wenig Tag’ und Monde sind es her,
Seit ich zuletzt an dieser Stelle weilte,
Und wie hat Fluß und Berg sich doch verändert,
Daß fremd und unbekannt die Gegend scheint.


Ich schürzte mein Gewand und stieg empor.
Steil über Felsen ging der Weg,
Und das Gestrüppe diente mir zum Halt.
Die Felsen hockten da, wie Tiger oder Panther,
Und wild wie Drachen krümmten sich die Bäume.
Ich sah dem Nachtkauz in sein steiles Nest
Und blickte nieder in des Flußgotts tiefes Schloß.
Die beiden Freunde wagten nicht zu folgen.
Da tat ich einen lauten Pfiff,
Daß Gras und Bäume zitterten,
Und fern das Echo an des Tales Wand erwachte.
Der Wind erhob sich, und das Wasser rauschte,
Und auch mir ward trüb gespensterhaft zumut,
So daß ich länger nicht mehr säumen mochte.
Ich kletterte hinab und stieg ins Schiff.
Wir hielten auf der Strömung Mitte zu
Und ließen unser Schifflein treiben.
Und wo es hielt, da machten wir die Abendrast.


Die Mitternacht war nicht mehr fern,
Und lange schweift’ mein Blick hin durch die tiefe Stille,
Ein Kranich schwebte einsam her von Osten,
Mit breitem Fittich schnitt er durch die Luft,
Aus schatt’gem Schwanzgefieder
Glänzte weiß die Brust hervor.
Und einen langgezogenen Ruf ließ er ertönen
Und streifte mit dem Flügel unser Schiff,
Als er nach Westen weiterflog.


Nicht lang darauf verzogen sich die Freunde,
Ich selber auch begab zur Ruhe mich.
Da träumte mir von einem Zaubrer
In langem wallendem Gewand,
Der an der Roten Wand vorüberschwebte.


Er grüßte mich und sprach:
»Wie war denn Eure Fahrt zur Roten Wand?«
Ich fragte ihn nach seinem Namen.
Er nickte nur und sagte nichts.
»Ei,« fiel mir ein, »ich weiß es wohl:
Der heute Nacht mit einem Ruf
Bei mir vorbeigeflogen ist,
Warst das nicht du?« —
Der Zaubrer sah mich an und lächelte.
Da wacht’ ich auf.
Ich öffnete die Luke, um nach ihm zu sehn.
Doch war er nirgends zu erblicken.



aus: Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten, Richard Wilhelm, Eugen Dietrichs, Jena, 1922, S. 75 ff.







Montag, 7. Februar 2011

Su Dung Po - Frühlingsnacht

Harald Reiter - Erster Frühling (copyrighted 2011)



Ein jeder Augenblick der Frühlingsnacht
Ist viele tausend Silberstücke wert.
Die Blumen atmen reinen Wohlgeruch,
Der Mond streut seine Schatten rings umher.


Gesang und Flötenspiel tönt vom Balkon,
Leis ziehn die Töne durch die weite Ruh.
Die Schaukel steht im Garten einsam da,
Es sinkt die Nacht den Morgenstunden zu.


aus: Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten, Richard Wilhelm, Eugen Dietrichs, Jena, 1922, S. 16



Samstag, 5. Februar 2011

Felicia Hemans - Landung der Pilgerväter

George Henry Boughton - Pilgrims Going To Church



Wild schlagen die Wellen ans Ufer heran,
Und der Wind peitscht den wogenden Wald;
Da steuern Verbannte im schwankenden Kahn,
Und die Felsen zerschellen ihn bald.


Da öffnet sich ihnen die rettende Bucht,
Und sie landen getrost und voll Mut;
Sie landen, nicht Flüchtlinge scheu auf der Flucht,
Noch Krieger, die dürsten nach Blut.


Ueber’s Meer, durch den Wald  und zum Himmel empor,
Schallt ihr kräftiger froher Gesang.
Da brachen durch’s Dunkel die Sterne hervor,
Das war jeder Pilger Empfang.


Da waren Greise mit schneeweißem Haar,
Da waren Frauen voll Mut;
Was suchte die kleine, die herzhafte Schar?
Begehrte sie irdisches Gut?


O nenn’s ein Geweihtes, ein heiliges Land,
Das die Väter den Enkeln vererbt!
Es bleibe erhalten, was jene Schar fand,
In Freiheit und Recht unverderbt!


aus: Johann Heinrich Stepler, Feldblumen, Cleveland, Ohio, 1899, S. 85



Freitag, 4. Februar 2011

Li Tai Be - Einsamkeit

Ferdinand Hodler, Femme joyeuse

Die Marmorstufen weiß vom Taue leuchten.
Die Nacht ist spät, das Kleid beginnt zu feuchten. —
Mit dem kristallnen Vorhang schließt sie nun ihr Zimmer:
Da schaut den Herbstmond sie im Perlenschimmer.

aus: Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten, Richard Wilhelm, Eugen Dietrichs, Jena, 1922, S. 62


Li Tai Be - Mit dem Ging-Ting-Berg allein



Die Vögel alle flogen hoch und höher,
Und auch die letzte Wolke segelt fort ins Blau —
Nur einer bleibt beständig mir und näher:
Der Berg mit seiner Felsen ernstem Grau.


aus: Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten, Richard Wilhelm, Eugen Dietrichs, Jena, 1922, S. 44



Mittwoch, 2. Februar 2011

Tao Yuanming - Die Chrysanthemen

Claude Monet - Chrysanthemen

In später Pracht erblühn die Chrysanthemen,
Ich pflücke sie, vom Perlentau benetzt
Um ihre Reinheit in mich aufzunehmen,
Hab’ einsam ich zum Wein mich hingesetzt.


Die Sonne sinkt, die Tiere gehn zur Ruhe,
Die Vögel sammeln sich im stillen Wald. —
Fern liegt die Welt mit ihrer Unrast Kummer,
Das Leben fand ich, wo der Wahn verhallt.


aus: Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten, Richard Wilhelm, Eugen Dietrichs, Jena, 1922, S. 64



Wilhelm v. Chézy - Die Liebe als Schiffer - Maskenball und Liebe

Die Liebe als Schiffer Maskenball und Liebe von Wilhelm v. Chézy (von Hans-Jürgen Horn transkribiert) Aurora. München, Dienstags Nr. 7. den ...