![]() |
Walter Ophey |
Als die Frühlingssonne zum erstenmal in mein Zimmer schien.
O milde Sonne, sey gegrüßt!
Hier hab’ ich lange dich vermißt;
Nun schenkest du zum erstenmal
Mir wieder deinen sanften Strahl.
Ich grüße dich, du schönes Licht,
Mit herzlich frohem Angesicht!
Du gießest aller Freuden Sinn
Auf alles, was dich schauet, hin.
Du bist ein Wesen, heiß und rein;
So soll auch meine Seele seyn:
Von treuer Liebesglut entbrannt,
Und aller Schalkheit abgewandt.
Du bist mit Klarheit angethan,
Und wandelst immer stille Bahn.
Wohl mir, geh ich, wie du, im Licht,
Und still, wie du; dann strauchl’ ich nicht.
O schöner Stern voll Lieb’ und Macht!
Du Bild von Ihm, der dich gemacht!
Ich bin sein hohes Bild, wie du,
Wenn ich gleich dir nur Gutes thu.
O würd’ ich von dir allezeit
Erfunden wacker und bereit!
So dürft’ ich deines Auges Strahl
Willkommen heißen allemal;
So dürft’ ich nie zur Erde sehn,
Und weg aus deinem Lichte gehn.
Denn unwerth bist du früh und spat
Dem, der kein gut Gewissen hat.
aus: Sammlung vermischter Gedichte von Christian Adolf Overbeck, Friedrich Bohn und Campagnie, Lübeck und Leipzig, 1794