William Turner - Shade and Darkness - the Evening of the Deluge |
Wahnsinn der Nacht.
Wahnsinn der Nacht, pechschwarze Wolken rasen
Am Himmel hin und her von Ost nach West,
Und trunknen Wächtern gleich, die Winde blasen,
Der Stunden nicht mehr achtend, bis der Mond
Selbst taumelnd sich von Wolken fangen läßt.
Baumschatten ringeln sich wie Schlangenketten,
Mit denen Kinder froh am Tag gespielt.
Schwarz färbt sie nun die Nacht auf stummen Straßen,
Und furchtsam in die weichen Wolkenbetten
Ein Sternlein nach dem andren scheu sich stiehlt.
Vom Wahn ergriffen scheinen auch die Berge
Zu schütteln sich, die sonst in Schweigen ruhn,
Denn ihre Bäume spielen mit den Winden,
Und Riesen dünken sich die kleinsten Zwerge,
Solang’ die Nacht verzerrt ihr tolles Tun.
Die Zeit scheint still zu stehn, die Uhren schweigen,
Nur die Natur hat Stimme noch und Laut,
Bis tief und tiefer sich die Wolken neigen,
Und wie empor die grauen Nebel steigen,
Gestaltlos wird, was rings das Auge schaut.
Wann endet dieser Nacht verzweifelt Ringen,
Das stumm schon in der Dunkelheit zerbricht?
Wann werden wieder Menschenlaute klingen,
Den stillen Gleichtakt unsres Lebens bringen,
Der heil’ge Tag und das geduld’ge Licht?
*
aus: Anna Behrens-Litzmann, Gedichte, Weiß'sche Universitäts-Buchhandlung, Heidelberg, 1920