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Dienstag, 5. Juli 2011

Theodor Kirchhoff - Wie es kam, daß den Spaniern das Rauchen im Himmel verboten ward

David Teniers d. J., Die Raucher


Wie es kam, daß den Spaniern
das Rauchen im Himmel verboten ward.

Eine wahrhaftige Historie aus dem Jenseits,
durch spezielle Offenbarung dem Dichter mitgeteilt.

Viele, die glauben auf Erden, daß droben im himmlischen Reiche
Jeder zufrieden sich fühlt. Das ist ein bedenklicher Irrtum.
Oft schon gab es ein Ärgernis dort. Der Sprachen Gewirre,
Schlimmer, als einst es gewesen bei Babels gewaltigem Turmbau,
Schuf ein ewig Gezanke. Die deutschen Seelen, sie haßten
Bitter das dumme Gewäsch der plappernden, eitlen Franzosen,
Diese das Deutsche nicht minder; und alle verwünschten die Britten,
Welche, seit Milton das Buch vom Paradiese geschrieben,
Hunderte Male bereits sich erfrecht, den Antrag zu stellen,
Daß auf Englisch allein es erlaubt sein solle, zu beten.
Ärger noch ward es in neuerer Zeit. Da erschienen die Yankees,
Sprachen von Freiheit stets und Amerikas glorreichem Lande,
Wo's weit schöner doch sei, als in dem veralteten Himmel.
Kein Telephon gab's hier, um dienende Geister zu rufen,
Und aus entlegenen Sonnen den Oberkellner zu finden.
Wenn es die Freiheitsbummler gelüstete, Nektar zu kneipen,
Mußten den endlosen Weg durch den ganzen Himmel sie laufen,
Eh' sie die Schänke erreichten, anstatt aus einfachem Wege
Ohne Verdruß den Trunk telephonisch bestellen zu können.
An dem Bau der Paläste vermißten sie Elevatoren,
Spotteten über die Monde, die nachts als Lampen man aufhing,
Statt das elektrische Licht von Edison scheinen zu lassen,
Zogen nach Gottes Thron Telegraphendrähte und lachten,
Wenn sich die Engel daran im Flug mit den Fittichen stießen, —
Ein gar freches, blasiertes Geschlecht, das allen verhaßt war,
Zahlreich kamen sodann die Seelen der Ladies aus Boston,
Ärgerten Gabriels Ohr mit schlecht gesungenen Hymnen.
Ihnen gefiel hier nichts. Der gesellige Ton und der Anstand
Waren nicht halb so gewählt, wie in Newport und Saratoga,
Oft schon hatten sie Klage geführt bei der Mutter Maria
Über das Tabakrauchen der stolzen hispanischen Seelen,
Freilich! es rauchten die Deutschen — das trotzige, plumpe Gesindel! —
Auch gern schlechten Kanaster: doch meistens nur in den Hallen,
Während die Dons — o Schmach! sich im Parlor selbst nicht genierten,
Mit Zigaretten im Mund vor den Damen gewaltig zu paffen.
Niemand konnte jedoch das Rauchen verbieten im Himmel,
Denn im Gesetzbuch stand kein Tüttelchen drüber geschrieben.
Als Gott Vater dem Sohn das Corpus Juris diktierte,
Hatt' er den Tabak vergessen, den damals keiner gebrauchte, —

Sprach zu der Mutter Maria der weise Paulus: Es scheint mir,
Daß mit Recht sich beklagen die schönen Seelen aus Boston,
Ob, auch sonst, ich gesteh's, ihre Reden ich wenig beachte.
Diese hispanischen Granden, die treiben's, wahrlich, zu arg doch!
Was ist zu thun? St. Peter und ich, wir wollen darüber
Deliberieren; der Alte ist schlau, ihn werd' ich befragen.

Petrus, der wußte bald trefflichen Rat. Mich dünket, es wäre —
Sprach er — gewiß das Beste, man lockte die spanischen Seelen
Vor die Pforte hinaus, die ich dann mit dem Riegel verschließe.
Keiner von jenen gelangt aufs neu' in den glänzenden Himmel,
Welcher zuvor nicht den Schwur aufs Kreuz barhäuptig gesprochen,
Nie das lästige Kraut fortan hier wieder zu paffen.
Sei so gut nun und gehe, du, Paulus, drüben hinüber,
Wo Herr Faustus, der Doktor, die Morgenzeitung herausgiebt.
Sag' ihm, er solle sofort zehntausend große Plakate
Drucken mit farbiger Schrift, und darin einen mächtigen Bullen.
Morgen, am Pfingstfest, geb' es ein Stiergefecht vor dem Himmel.
Ein andalusischer Stier, mit langen, gewaltigen Hörnern,
Würde zur Feier des Tags dort kämpfen in offner Arena.
Lasse die Zettel kleben an alle demantenen Säulen,
Wo die hispanischen Dons allabend im Mondlicht spazieren.
Auch in den Parlors klebe sie fest an die goldenen Wände,
Daß ein jeder sie seh', und sich keiner morgen verschlafe.

Paulus eilte hinweg, das Nötige prompt zu besorgen.
Ehe der Sirius noch halb untergegangen im Himmel,
Prangten, wohin man nur schaute, die riesigen bunten Plakate.
Hei! da gab es ein Rennen durch alle die Säle und Hallen,
Schreien und lautes Geschwätz von Dons und stolzen Hidalgos.
Jeder erzählt' es voll Eifer den Freunden, so schnell er nur konnte,
Scharen von müßigem Volk betrachteten staunend die Bilder,
Wetteten, daß der Stier den Kampf mit Ehren bestünde.
Lärmend ergoß sich der Menge Gewühl beim Grauen des Tages
Durch das geöffnete Thor, das Stiergefecht zu betrachten.
Nicht Ein Spanier blieb zurück; doch hinter dem letzten
Schob St. Peter geschwind vor die mächtige Pforte den Riegel.
Als nach längerer Zeit mit Schelten die spanischen Seelen,
Welche umsonst sich bemüht, des Kampfspiels Stätte zu finden,
Pochten ans dröhnende Thor, da mußte sich jede bequemen,
Erst einen heiligen Eid aufs Kreuz barhäuptig zu sprechen:
Nimmer hinfüro mehr in den himmlischen Räumen zu rauchen, —
Eh' St. Petrus aufs neu' ihren Paß zum Eintritt visierte.

Also geschah's, — Da erhub sich ein solches Gelächter im Himmel,
Wie's Gott Vater noch nie von den seligen Geistern vernommen.


Aus: Theodor Kirchhoff, Balladen und Neue Gedichte, Schlüter'sche Buchhandlung, Inh. Wilh. Halle; New York, E. Steiger & Co., 1883






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