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Sonntag, 29. Januar 2012

Gustav Hohbach - Der Geiselstein

Photo: Klaus Graf (Lizenz siehe unten)


Der Geiselstein. *)
Eine Volkssage.

Was schauet vom Felsen ins Thal herein?
Es ist der Graf von Geiselstein.
Er schaut so wehmuthsvoll mich an,
Was hat man dem armen Grafen gethan?

Es ist um das heilige Osterfest,
Als fröhlich der Graf sein Schloß verläßt:
Er reitet auf die Jagd hinaus,
Die Knaben bleiben allein zu Haus.

Sie sahen wohl lange dem Vater nach?
Als Hugo zu seinem Bruder sprach:
»Sieh, Albert, es scheinet die Sonne so schön,
»Komm, laß uns hinab an den Burgsee geh’n.«

»»Nein, Hugo! sieh, wie die Wolken nah’n!
»»Es zieht ein schweres Gewitter heran.««
»Der Vater ist fern im dunkeln Wald,
»Und die schwarzen Wolken verziehen sich bald.

»Der ruhige See, er ladet uns ein;
»Komm, Albert, und laß das Sorgen seyn!« —
»»0 sieh, wie die Woge den Fels bespritzt!
»»Sieh, wie es da hinten so schaurig blitzt!«« —

»So geh’ ich allein zum See hinab,
»Und fänd’ ich im Wasser mein frühes Grab.« —
»»Nein, Hugo, zusammen gehen wir,
»»Und solltest du sterben, so sterb’ ich mit dir!««

Es hat der Vater nicht Ruhe, nicht Rast,
Er durchjaget den Wald in ängstlicher Hast;
Bald stößt er ins Horn, es ist ihm so bang;
Es dünket die Zeit ihm unendlich lang.

Er eilet nach Haus, er stürzt in den Saal,
Er suchet die Knaben wohl überall.
»Wo seyd ihr, o Himmel, wo seyd ihr?« — Es bricht
Des Vaters Herz, denn er findet sie nicht.

Da sieht er hinaus mit sehnendem Blick,
Erblicket die Knaben und bebet zurück,
Denn sie suchen umsonst auf schwankendem Kahn
Im Sturmesgeheule dem Ufer zu nah’n.

Es hallet der Donner, die Woge braust,
Die Blitze zucken, der Sturmwind saust;
Da beten die Knaben zu Jesu hinauf:
»Nimm gnädiglich unsere Seelen auf!«

Und wie sie so beten, der Donner schweigt,
Und im Nachen ein holdes Knäblein sich zeigt.
Es spricht umgeben von Himmelsschein:
»Geht nun in das Reich des Vaters mit ein!«

Da schauen die Knaben zum Schloß hinan:
»Lieb Vater, leb wohl!« — Da sinket der Kahn,
Da erkaltet des liebenden Vaters Herz,
Er erstarret zu Stein vor unendlichen Schmerz.

Die Burg ist zerfallen, der See ist nicht mehr,
Doch blickt noch heute schauerlich hehr
Ins Thal herab das Haupt von Stein
Des armen Grafen vom Geiselstein.
  
*) Bey Geislingen, einer romantischen Gegend aus dem Wege von» Stuttgart nach Ulm.


The illustration is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic license.

Bernhard Heinrich Gustav Hohbach (* 28. September 1803 in Gunzenhausen; † 29. Mai 1850 möglicherweise in Ellwangen) war ein deutscher Dichter und Jurist.



Freitag, 27. Januar 2012

Georgine Wrba - Des Weibes Fluch — oder — Der Sieg des Glaubens

Georgine Wrba



Des Weibes Fluch — oder — Der Sieg des Glaubens.

Einst lebte ein Mann im Ungarland
Als Meister Szomory wohlbekannt.
Er wohnte in einem schönen Palast
Und lebte dem Glück ohn’ Ruh und Rast.
Das könnt’ er ohne Müh’ erringen
Mit ganz geheimnisvollen Dingen.
Dem Teufel — so sagten sich alle Leut’ —
Sei er verschrieben in Ewigkeit . . .
Und was er sich wünschte und was er begehrt’,
Ward gleich ihm vom bösen Geist beschert,
Er schwelgte in Reichtum und hielt viel Gesind;
Mit Satans Hilfe gebot er dem Wind
Und machte, wo immer er war bekannt,
Der frommen Ehre zu Spott und Schand.
Doch von den herrlichsten Genüssen
Glaubt’ er einen noch zu missen.
Er rief, kraft seiner dunklen Macht,
Sich den Satan her bei Nacht,
Tat kund ihm eine neue Bitte
In seiner altgewohnten Sitte.
»Hör mich,« sprach er zu dem Geist,
»Was heute mich dich rufen heißt!
Du hast mir im Leben schon viel gegeben.
Ich trinke den Wein der saftigsten Reben,
Habe an Gold und an Reichtümern viel,
Treibe durch dich viel heiteres Spiel
Und reite die schönsten und besten Pferde —
Wähn’ mich oft selbst ein König der Erde.
Eines nur hast du mir nicht beschert,
Du hast mir bis heute die Liebe verwehrt.
Ein Mägdlein schick’ mir, das zuweilen
Mich von der Einsamkeit soll heilen,
Das reich an Schönheit und weiblicher Zier,
Mehr will ich wahrlich nicht von dir!« —
»Wohlan,« sprach drauf sein schwarzer Gast,
»Da du mich stets gepriesen hast
Ob meines Zaubers Wundermacht,
Sei dir auch diese Gunst gebracht.
Der Frauen Schönste will ich rühren
Und sie in deine Arme führen.« —
Darauf verschwand er auf der Stelle,
Alleine blieb der Erdgeselle. —
Der Morgen graute dann alsbald,
Da ritt Szomory in den Wald.
Den allerschönsten seiner Gäule
Trieb er an zu größter Eile.
Und als er kam dem Bach entlang,
Vernahm er lieblichen Mädchensang.
Langsam ritt er durch die Buchen,
Die holde Sängerin zu suchen.
Er sah sie nah dem Wasser stehn —
So herrlich war bald nichts zu sehn.
Lüstern regte sich sein Sinn,
Es zog ihn zu der Schönen hin.
Er naht sich leis ihr mit der Frage:
»Was tut man hier so früh am Tage?« —
»Ich bin des Försters jüngste Maid
Und lieb’ die Waldeseinsamkeit
Drum bin ich jetzt schon auf den Füßen,
Den neuen Morgen zu begrüßen
Und die Vöglein aufzuwecken,
Die alle noch schlummern in den Hecken.
Doch wer seid ihr, mein fremder Held,
Der reitet hier durch Wald und Feld?« —
»Bin ein geschätzter Edelmann,
Es achtet und ehrt mich jedermann,
Mich freut wie dich des Waldes Leben,
Möcht’ drum nach deiner Liebe streben.«
Mit Staunen hörte das die Maid,
In frommer Unschuld sie sich freut.
Noch kannte sie nicht Trug noch List,
Ihr schien der Mann ein braver Christ.
Sie ließ sich in den Sattel heben
In erster Liebe zartem Beben
Und ahnte nichts von seinem Spott,
Den jener trieb mit Mensch und Gott.
Sie gab, was einmal nur im Leben
Die edle Frau hat zu vergeben,
Dem Szomory liebend hin
In weiblich treu ergeb’nem Sinn.
Auf Treue hatte auch sie gebaut
Und nannte sich schon seine Braut,
Als eines Tag’s er zu ihr spricht:
»Kind, ich bedarf jetzt deiner nicht,
Du darfst zurück zum Walde gehn,
Ich komm’ — will ich dich wiedersehn.«
»Wie, du willst mich grausam quälen
Und willst dich nicht mit mir vermählen?«
Schrie das Weib in seiner Not,
»Du zogst mich in der Sünde Kot
Und willst jetzt treulos mich verstoßen,
Nachdem du meine Lieb’ genossen?« —
Darauf Szomory lachend sprach:
»Was weinst du deiner Unschuld nach?
Es wird mein Wille stets geschehn,
Meinem Wunsch kann nichts entgehn!
So warst auch du mir zugesandt
Zu frohem Spiel und losem Tand.
Da rief das Mädchen ihm drohend zu:
»Sandest, elender Sünder du,
Dämonen aus, mich zu verführen,
Magst du nun meinen Fluch verspüren:
Wo qualvolles Höllenfeuer flammt,
Dahin sei zu ewiger Buße verdammt!«
Da sprach Szomory ganz ohne Graus:
»Nun wohl,« in der Hölle da bin ich zuhaus,
Dort schmieden die Geister täglich mein Glück,
Drum möcht aus der Hölle ich nimmer zurück.
Dein Fluch ist mein Wunsch, wie bist du gescheit,
Ich dank dir dafür du liebliche Maid!« —
Solch Schmähung reizt’ der Betrog’nen Haß,
Strafe gebührt dem schamlosen Spaß!
Sie fing aufs neu zu sprechen an
Und drohte also dem Tyrann:
Da du mein gläubiges Herz zertreten,
Will ich zum Gott der Gerechten beten,
Daß er vernichte des Satans Macht,
Der soviel Bosheit dir beigebracht.
Nimmer sollst du an den Gaben
Des Höllengeist’s dich müßig laben,
Auch soll der Himmel dir verwehren,
Was du fürder willst begehren.
Elend sollst du zugrunde gehn
Ob deiner zahllosen Vergehn!
So verfluch ich dich bei Gott
Zu harter Strafe bis zum Tod!« —
Und kaum geendet des Mädchens Spruch,
Ward zur Wahrheit ihr strenger Fluch.
Szomory beschwörte die Geister wohl,
Die aber, teuflischen Zornes voll,
Konnten nicht mehr ihn erretten
Aus des Fluches schwären Ketten.
Bald war vernichtet seine Pracht
Durch eines wahren Gottes Macht.
In Not und Hunger mußt’ verderben,
Der nur als König wollte sterben.
Doch die einst seiner List erlegen,
Wandelte auf eb’nen Wegen.
Ihr schien des Friedens milde Sonne
Im schlichten Kleid der schwarzen Nonne.
So siegt das Gute jederzeit,
Es lebe die Gerechtigkeit!

Aus: Georgine Wrba, Wenn die Seele Worte findet, Vermischte Gedichte, Verlag Aurora, Dresden-Weinböhla, 1918

Zur Autorin konten leider keine Daten ermittelt werden.








Donnerstag, 26. Januar 2012

Georgine Wrba - Großstadtelend

Georgine Wrba



Großstadtelend.

Rauschend wogt im Sonntagsstaat die Menge.
Fast scheint den Vielen der Raum zu enge,
Die da wandeln mit froher Geberde,
Denen das Schicksal noch Lust bescherte.
Da rauscht’s vorbei in weicher Seide,
Da funkeln und glitzern die Geschmeide,
Als sei die Welt allein voll eit’ler Lust.
Seid ihr Menschen des Leid’s euch nicht bewußt,
Das noch lebt neben all eurer Pracht?
Umhüllt nicht so manchen des Unglücks Nacht? —
Sie achten’s nicht, die Ritter der Freude,
Da ihnen ’s Leben nicht Dornen streute.
Auf und nieder strömen die Gestalten,
Düfte wehen aus den bunten Falten
Und edles ringsum ist Frohsinn und Glanz,
Es strahlet keck der Reichen Eleganz.
Sie dröhnen der Freude wie sie’s gewohnt
Und sehen nicht, daß unweit Armut wohnt.
Da kauert an rauhem und kaltem Stein
Ein armer Mann mit verkrümmtem Gebein.
Halb nur beschuht ist sein zitternder Fuß,
Doch sein Gesicht ist noch frei von Verdruß.
Und doch ist noch schwerer er geschlagen,
Muß einen Höcker am Rücken tragen.
Ein Paar Krücken liegen an seiner Seit’,
Daneben er, das verkörperte Leid.
Er bläst sein Instrument mit Beschwerde,
Doch das übertönen die Konzerte,
Die aus den nahen Garten erklingen,
Und dorthin sieht man die Masse dringen.
Der Arme sieht es, sein Auge wird feucht;
Noch hat man ihm kein Almosen gereicht.
Es liegt sein Hut noch leer in seinem Schoß
Und doch ist sein Elend bitter und groß.
Er hört die schäumenden Gläser schallen,
Sieht an reichgedeckten Tischen prahlen
In eit’ler Selbstsucht die vielen Reichen.
Muß er nicht hungernd dabei erbleichen?
Ihr Menschen inmitten Lust und Scherzen,
Wie seid ihr doch arm in euren Herzen,
Da ihr nicht fühlet des Nächsten Wunden,
Der sich da quält in schweren Stunden.
Doch was ihr dem Alten hier nicht gewährt,
Wird durch ein einfaches Kind ihm beschert.
Das naht sich ihm leis’ wie von Gott gesandt,
Hält mitleidsvoll den Blick ihm zugewandt.
Dann sieht mein lächelnd an seiner Linken
Die liebliche Kleine niedersinken.
Ihr Brot, das sie halb schon aufgezehret,
Eifrig sie jetzt dem Alten verehret.
Und diesen erfüllt das so wunderbar,
Er streichelt gerührt ihr goldblondes Haar
Und Tränen netzen sein bärtig Gesicht,
Da kindliche Unschuld ihm Freude flicht,
Wo alle andern sein Leid nicht verstehn
Und achtlos an ihm nur vorübergehn. —
Als das Mädchen erblickt den leeren Hut,
Faßt einen Entschluß es mit festem Mut,
Reicht behend die Krücken hin dem Kranken,
Dann sieht man beide davon sie wanken.
Heraus aus dem Trubel stolzer Massen
Führt sie der Weg in einsame Gassen.
Denen ist kein stolzer Prunk beschieden,
Da lebt noch ruhiger Sonntagsfrieden.
Hier hebt der Greis wieder zu spielen an,
Er bläst so gut, wie er nur blasen kann.
Die Kleine öffnet ihre Lippen zart
Und singt fromme Weisen nach Kindesart:
»Helfet dem Nächsten, wie Gott es gelehrt,
Selig wird einst, wer Seligkeit beschert!«
Und sieh! wer da lauscht, von Mitleid bewegt
Ein Geldstück in den Hut des Alten legt.
Und dieser wird sich auf einmal bewußt,
Daß Nächstenliebe wohnt in bescheid’ner Brust.
Meist hat für Not nur ein gütig Verstehn,
Wer nie dem Überfluß in’s Aug’ gesehn.



Aus: Georgine Wrba, Wenn die Seele Worte findet, Vermischte Gedichte, Verlag Aurora, Dresden-Weinböhla, 1918


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Wilhelm v. Chézy - Die Liebe als Schiffer - Maskenball und Liebe

Die Liebe als Schiffer Maskenball und Liebe von Wilhelm v. Chézy (von Hans-Jürgen Horn transkribiert) Aurora. München, Dienstags Nr. 7. den ...