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Marie Bashkirtseff |
Ich liebe dich, du heisse Slavin,
In deiner Schwäche, deiner Kraft,
In deiner Sinne Lebensfieber —
Im Zauber deiner Mädchenschaft!
Dich, du Vestalin alles Schönen,
Die du — von heil’ger Glut entfacht —
Auf unsrer Gottheit Hochaltare
Dein warmes Herzblut dargebracht.
Ich liebe dich, du Dorngekrönte,
In deinen Schmerzen, deiner Qual,
In deiner wilden Ruhmbegierde
Mit ihren Wünschen sonder Zahl!
Die deinen zarten, weissen Busen
Erdrückten fast mit ihrer Wucht.
O blonde Blume, bald entblättert,
Märtyrerin der Höhensucht!
Die du dich selbst ans Kreuz geschlagen,
Ans blut’ge, heissgeliebte Kreuz —
Hinweggerafft, eh’ du genossen
Der Lebensschale höchsten Reiz!
Ich liebe dich, du Starke, Stolze,
In deiner Seele Wahrheitdrang,
Der dich — entzügelt von Dämonen —
Dein Tiefstes blosszulegen zwang.
Und all die Glut, die wildverzehrend
Dich einst durchloht, du heisses Weib,
Sie lodert auch in meinen Adern;
Sie sehrt auch meinen jungen Leib,
Ein Feuerfunke deines Wesens
In mir auch glühend, sprühend kreist:
Denn ich bin Herz von deinem Herzen,
Denn ich bin Geist von deinem Geist!
Aus: Sturm und Stern, Gedichte von Julia Virginia, Verlegt bei Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig, 1905