Die Liebe als Schiffer
Maskenball und Liebe
von
Wilhelm v. Chézy
(von Hans-Jürgen Horn transkribiert)
Aurora.
München, Dienstags Nr. 7.
den 12. Januar 1830.
Die Liebe als Schiffer.
Liebe schwebt in klaren Lüften,
Wohnt auf Erden , lebt in Gluthen,
Scheucht selbst Tod ans dumpfen Grüften:
Hier erblickst du sie auf Fluchen.
Mit dem Ruder in den Händen
Sitzt der Knab’ im schwanken Kahn,
»Sponn die Segel auf, wir senden
Seufzer, Leiter deiner Bahn.«
Netze hat er mitgenommen
Mit gar feinen, dichten Manchen,
Kommt zu nah’ ihm nicht geschwommen,
Fischlein, möcht’ euch überraschen.
Und er nahm auch auf die Wogen
Waffen mit zur raschen Fahrt,
Ihm zu Füßen liegt der Bogen
Dem beschwingten Pfeil gepaart.
Herzen, Herzen, mögt euch wahren,
Hütet euch vor Pfeil und Schlingen,
Seht ihr Lieb’ auf Fluthen fahren,
Hörst ihr Lieb' auf Wogen singen,
Undeständig, wie die Wellen,
Ist ihr Glück, doch treu ihr Leid.
Der nur darf sich ihr gesellen,
Wer sich erw’gem Sehnen weiht.
Nimm mich mit auf deinem Kahne,
Der so rasch den See durchgleitet,
Nie entsag’ ich süßem Wahne,
Der so treu durchs Leben leitet,
Liebe, deine schönsten Schmerzen,
Sei'n mein Theil, ich will nicht mehr,
Ernst sei selbst mein loses Scherzen, —
Nimm mich, Dichter sind nicht schwer.
Steure mich durch Sturm und Stille,
Eber bleib’ auf offnen Wogen,
Immer sei dein freier Wille
Zu dem engen Fort gezogen,
Fahre, bis zu Todesklippen,
Die kein Sterblicher vermied,
Dann tönt froh von meinen Lippen
Noch, dein Preis, mein letztes Lied.
Aurora.
München, Donnerstag Nr. 42.
den 4. März 1830.
Maskenball und Liebe.
Zwei Sonette an Marie.
1.
Ich sah Dich nicht, doch sprach ein ahnend Bangen
In meiner Brust und zog zu Dir mich hin,
Der Stimme süßer Laut hat meinen Sinn
In einem unsichtbaren Netz gefangen.
Der Augen Feuerstrahl bin ich entgangen,
Kein Blick ward durch den Flor mir zum Gewinn,
Und eine Maske — daß ich sicher bin —
Deckt neidisch Stirne, Lippen Dir und Wangen.
Vergebens ist's, die Sonne zu enthüllen,
Die Schönheit hehlt kein wächsernes Gesicht,
Daß sie der Blick der Liebe nicht erkunde,
Und so mit sich mein schönster Wunsch erfüllen,
Die 5chönheit ahn' ich aus des Herzens Wunde,
Und aus der Schönheit deiner Seele Licht.
2.
Als bei dem Klang der Glocken Gläub'ge wallten
Ihr Herz zu heben im Gebet empor,
Da mischt’ ich mich dem stillen Beterchor,
Doch nicht wie sie die Hände fromm zu falten.
Im weitem Dome meine Schritte schallten,
Zu Dir mein Sinn und Denken sich verlor,
Und zweifelnd fragte ich: »die ich mir erkor,
Sie wird vielleicht, eh' ich, sie sah, erkalten.«
»Und ist's nicht Sünde, hier sie zu verlangen?«
Da schwebst du herbei mit holden Blicken
Und ich erkannte, die ich nie gesehn.
Ave Maria stammelte mein Entzücken;
Du lächelst süß, da war's um mich geschehn,
Und jede Sünde wich im Liebesbangen.